One big beautiful bill act (OBBBA): Auf dem Bild liegen im gesamten Hintergrund US-Dollar-Noten. Auf dem Geld liegt ein Stethoskop.

In unserer neuen Beitragsreihe betrachten wir die strukturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen dem US-amerikanischen und dem deutschen Gesundheitssystem – sowie die Frage, inwiefern beide Systeme voneinander lernen können.

Am 4. Juli 2025 hat Präsident Donald Trump das „One Big Beautiful Bill Act“ (OBBBA) unterschrieben. Es ist ein riesiges Gesetzespaket, das viele Bereiche betrifft – von Steuern, über das Militär bis zur Grenzsicherung. Besonders stark verändert werden die Programme, die Millionen Amerikanerinnen und Amerikanern den Zugang zu medizinischer Versorgung sichern. Dazu gehören vor allem Medicaid und die Versicherungsmärkte des Affordable Care Act (ACA, „Obamacare“).

Medicaid – was ist das und was ändert sich?

Medicaid ist ein staatliches Programm, das Menschen mit geringem Einkommen eine kostenlose oder fast kostenlose Krankenversicherung bietet. Über 70 Millionen Menschen sind heute darüber versichert.

Das OBBBA macht den Zugang zu Medicaid deutlich schwieriger:

  • Erwachsene bis 64 Jahre müssen nachweisen, dass sie mindestens 80 Stunden pro Monat arbeiten, um versichert zu bleiben. Wer krank ist, unregelmäßige Jobs hat oder Angehörige pflegt, verliert daher leicht den Anspruch.
  • Die Überprüfung der Berechtigung findet nun zweimal im Jahr statt (statt bisher einmal). Schon kleine Fehler oder verspätete Antworten auf Anschreiben können dazu führen, dass man aus dem Programm herausfällt.
  • Zusätzlich können neue Zuzahlungen fällig werden, wenn Zuschüsse des Bundes entfallen, die der Bundesstaat nicht ausgleichen kann und die dann für arme Haushalte schwer zu stemmen sind.

Viele Menschen werden in der Zukunft ihren Versicherungsschutz verlieren und nicht mehr durch Medicaid abgesichert sein, auch wenn sie eigentlich bedürftig sind.

Die ACA-Marktplätze – was sind sie und warum werden sie teurer?

Die ACA-Marktplätze (oft „Obamacare-Märkte“ genannt) sind Internet-Plattformen, über die Menschen ohne Versicherung beim Arbeitgeber eine Krankenversicherung kaufen können. Dies betrifft vor allem diejenigen, die in kleineren Betrieben beschäftigt sind oder nur Teilzeit arbeiten. Dort gibt es staatliche Zuschüsse („Steuergutschriften“), die die monatlichen Beiträge bezahlbar machen. Das OBBBA bringt hier mehrere Verschlechterungen für die Betroffenen:

  • Die Anmeldefrist wurde verkürzt (bis 15. Dezember statt 15. Januar). Wer den Termin verpasst, bleibt unversichert. Die Anmeldefrist bei den ACA-Marktplätzen ist der Zeitraum im Jahr, in dem man eine Krankenversicherung abschließen oder wechseln darf. In den letzten Jahren war das normalerweise vom 1. November bis zum 15. Januar. Wer in dieser Zeit eine Versicherung wählt, ist ab dem nächsten Jahr versichert. Wenn man die Frist verpasst, kann man sich nicht einfach jederzeit anmelden. Bestimmte Sonderfristen für ärmere Haushalte entfallen ebenfalls.
  • Menschen, die automatisch weiter eingeschrieben bleiben wollen, müssen künftig eine kleine Gebühr zahlen, wenn sie nicht aktiv jedes Jahr ihre Daten bestätigen wollen.
  • Außerdem sollen bestimmte Gruppen – etwa junge Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus wie DACA-Empfänger – vom Zugang ausgeschlossen werden. Sie dürfen sich nicht anmelden und auch keine Zuschüsse für Versicherungen erhalten – selbst wenn sie hier leben, arbeiten und Steuern zahlen. Es betrifft Menschen, die als Kinder ohne Papiere in die USA gebracht wurden (oft „Dreamers“ genannt). Viele von ihnen sind in den USA aufgewachsen, sind zur Schule gegangen und arbeiten – besitzen aber keinen regulären Aufenthaltsstatus. Durch DACA können sie vorübergehend legal arbeiten und sind vor Abschiebung geschützt. Allerdings erhalten sie keine Staatsbürgerschaft und keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus.
  • Ende 2025 laufen die erhöhten Zuschüsse für Versicherungsprämien aus, die seit 2021 gelten. Bisher zahlten Haushalte damit im Schnitt rund 700 Dollar weniger pro Jahr für ihre Versicherung. Wenn diese Hilfe wegfällt, steigen die Beiträge um durchschnittlich 75 Prozent – für manche sogar um das Doppelte. Besonders hart trifft es ärmere Familien und ältere Menschen.
  • Viele neue Regeln verlangen zusätzliche Nachweise, Formulare oder Dokumente. Für Familien mit wenig Geld, für Ältere oder Menschen mit Behinderungen kann das zum Problem werden – etwa wenn ein Brief verloren geht oder Fristen übersehen werden. Schon kleine Fehler führen oft dazu, dass der Versicherungsschutz automatisch endet.

Erwartete Veränderungen der Versicherungslandschaft

Nach Schätzungen des Congressional Budget Office (CBO) wird das OBBBA bis 2034 rund 16 Millionen zusätzliche Menschen ohne Krankenversicherung hinterlassen. Diese Zunahme setzt sich zusammen aus:

  • 7,8 Mio. infolge von Medicaid-Kürzungen,
  • 3,1 Mio. durch Veränderungen der ACA-Marktplätze,
  • 0,9 Mio. durch die Kodifizierung einer Trump-Administration-Regel zu „Program Integrity“, Die „Program Integrity“-Regel bezieht sich auf die Kontrolle und Überprüfung der ACA-Marktplätze. Es geht darum sicherzustellen, dass nur Menschen, die wirklich anspruchsberechtigt sind, Zuschüsse oder Versicherungsschutz über die Marktplätze erhalten; und
  • 4,2 Mio. durch das Auslaufen der seit 2021 geltenden erweiterten Premium-Steuergutschriften.

Damit würde ein zentraler Trend der letzten Dekade – der Rückgang der Nichtversichertenquote nach Einführung des ACA – umgekehrt.

Folgen für Patientinnen und Patienten und Krankenhäuser

Wenn Millionen Menschen ihre Versicherung verlieren, können sie Arzt- oder Krankenhausrechnungen nicht mehr bezahlen. Das führt dazu, dass

  • sie in den USA oft in dem beschriebenen „medical debt“ landen, von dem sie ihr Leben lang nicht mehr von herunterkommen und mit einem riesigen Schuldenberg leben müssen,
  • Notaufnahmen voller werden, weil Menschen ohne Versicherung dort als letzte Möglichkeit Hilfe suchen. Sie bekommen dort eine schlechtere Behandlung und verteuern gleichzeitig das Gesundheitswesen immens,
  • Krankenhäuser auf dem Land, die stark von Medicaid-Zahlungen bzw. Patientinnen und Patienten abhängig sind, in finanzielle Not geraten und schließen müssen,
  • Vorsorgeprogramme wie Krebsfrüherkennung oder Impfungen zurückgefahren werden,

Gesundheitsexperten befürchten deshalb mehrere tausend vermeidbare Todesfälle landesweit pro Jahr.

SNAP – auch das Ernährungsprogramm ist betroffen

Das OBBBA verändert nicht nur die Krankenversicherung, sondern auch das Supplemental Nutrition Assistance Program (SNAP), also die Lebensmittelhilfe („Food Stamps“). SNAP unterstützt rund 40 Millionen einkommensschwache Amerikanerinnen und Amerikaner dabei, Essen zu kaufen. Mit dem neuen Gesetz gelten strengere Arbeitsauflagen: Erwachsene bis 64 Jahre müssen regelmäßige Erwerbsarbeit nachweisen, sonst verlieren sie die Unterstützung. Kritiker warnen, dass dadurch noch mehr Menschen in Armut rutschen – und gleichzeitig schlechtere Ernährung und mehr gesundheitliche Probleme drohen.

Fazit

Das One Big Beautiful Bill Act klingt nach Größe und Schönheit – in Wirklichkeit bedeutet es für viele Amerikanerinnen und Amerikaner höhere Kosten, mehr Hürden und den Verlust von Versicherungsschutz. Besonders betroffen sind Menschen mit niedrigem Einkommen, ältere Personen, Alleinerziehende und viele Menschen in ländlichen Regionen. Während wohlhabendere Haushalte von Steuersenkungen profitieren, wächst die Unsicherheit für die ärmere Hälfte der Gesellschaft.