Die Integration internationaler Fachkräfte in einen deutschen Arbeitskontext ist komplex und herausfordernd. Wenn sie gelingt, bietet sie aber auch zahlreiche Chancen für Arbeitgeber wie beruflich Pflegende. Dr. Bouchra Achoumrar und Patricia Beck widmeten sich in ihrem Impulsvortrag auf der Jubiläumsveranstaltung der Frage, wie Integrationsprozesse erfolgreich gestaltet werden können.
In den Berufen des Gesundheits- und Pflegesektors ist bereits heute jede*r sechste Erwerbstätige im Ausland geboren (SVR, 2022). Da die Anwerbung internationaler Fachkräfte zudem als eine zentrale Strategie gegen den zunehmenden Fachkräftemangel gilt, wird dieser Anteil in Zukunft noch weiter zunehmen. Pflegefachkräfte mit Migrationshintergrund haben zudem ein großes Potenzial für die zunehmend diverse Pflegelandschaft. Vor diesem Hintergrund wird die nachhaltige Integration internationaler Fachkräfte im Gesundheitswesen immer wichtiger.
Multikulturelle Teams und patientenzentrierte Versorgung sind eine Bereicherung für das Gesundheitswesen
Internationale Gesundheitsfachkräfte bereichern das deutsche Gesundheitswesen: Multikulturelle Teams führen zu besseren Arbeitsleistungen, höherer Zufriedenheit im Team und innovativeren Arbeitsprozessen und -organisationen. Der Austausch unterschiedlicher Perspektiven und kultureller Hintergründe fördert kreative Problemlösungen und den interkulturellen Dialog. Internationale Gesundheitsfachkräfte bringen zudem ein tiefes Verständnis für die kulturellen Bedürfnisse und Praktiken der Patient*innen mit und können dadurch eine effektive und individuelle Betreuung gewährleisten. So tragen sie maßgeblich zu einer patientenzentrierten Versorgung bei. Gleichzeitig zeigt unsere Arbeitsplatz-Studie, dass Pflegefachkräfte mit Migrationshintergrund ihrem Beruf treuer sind und seltener wechseln als ihre inländischen Kolleg*innen.
Um diese Potenziale zu realisieren, neue Fachkräfte zu gewinnen und langfristig zu halten, sind transparente Anwerbungsprozesse sowie strukturierte und nachhaltige Integrationsprogramme von besonderer Bedeutung.
Ganzheitliche Integration jenseits von rechtlichen und administrativen Aspekten ist erforderlich
Die Integration internationaler Fachkräfte wird nicht nur durch Sprachbarrieren erschwert. Es fehlt zu Beginn auch oft systemisches und informelles Wissen über den deutschen Gesundheitssektor und den Umgang mit kulturellen Normen (BMI, 2023; SVR, 2022). Darüber hinaus werden Ärzt*innen und Pflegefachpersonen im deutschen Berufsalltag auch immer noch diskriminiert. Hauptquelle von Diskriminierung sind dabei Patient*innen, gefolgt von Kolleg*innen und Vorgesetzten (Achoumrar, 2022; Yolci et al., 2022).
Um zumindest den formalen Hürden und dem zwangsläufig fehlenden Wissen zu begegnen, sind folgende Maßnahmen unabdingbar:
- die Anerkennung internationaler Qualifikationen,
- beschleunigte und transparente Verfahren zur Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland,
- Weiterqualifizierungen über das Niveau B2 hinaus,
- virtuelle Sprachkurse, um auch ländliche Gebiete, einzubeziehen sowie
- Ausbildungs- und Nachqualifizierungsprogramme.
Ein faires, nachhaltiges und transparentes Verfahren ist dabei entscheidend, da es Vertrauen schafft und die Motivation potenzieller Mitarbeiter*innen erhöht
Erfolgreiche Integration braucht eine diversitätsorientierte Organisationskultur
Jenseits der administrativen, fachlichen und sprachlichen Aspekte ist aber auch eine ganzheitliche Integration internationaler Pflegefachkräfte in den beruflichen Kontext notwendig, die sich auf die Zufriedenheit der Mitarbeitenden fokussiert. Eine qualitative Studie zu den Einstellungen von Pflegefachpersonen mit und ohne Migrationsgeschichte in der stationären Altenpflege in Deutschland (Achoumrar, 2023) arbeitet mehrere relevante Faktoren heraus, die die Mitarbeitermotivation beeinflussen: Hierzu zählen strukturelle Rahmenbedingungen, Unternehmens- und Führungskultur sowie Kommunikationsstrukturen und Werthaltungen.
Nachhaltige Integration kann nur in einer inklusiven Arbeitsumgebung gelingen, die den Bedürfnissen aller Mitarbeitenden gerecht wird. Somit wird eine diversitätsorientierte Organisationskultur zum Schlüssel für eine gelungene Integration im Sinne einer partizipativen Teilhabe: Wertorientierte Kommunikationsstrukturen fördern offene Kommunikation und Vielfalt auf allen Ebenen der Organisation. Sensibilisierungsmaßnahmen und Schulungen schaffen ein Bewusstsein für Vielfalt und bauen Vorurteile ab. Wir leisten hierzu gerne unseren Beitrag durch wissenschaftliche Evaluation und Forschung.
Maßgeschneiderte Integrationskonzepte helfen, Potenziale zu entfalten
Ein maßgeschneidertes Integrationskonzept stellt sicher, dass das volle Potenzial der internationalen Fachkräfte im Gesundheitswesen entfaltet und eine patientenzentrierte Versorgung sichergestellt wird. Wir bei IEGUS beschäftigen uns bereits seit Gründung des Instituts mit dem Thema Arbeitsmigration im Gesundheitswesen und haben dazu zahlreiche Projekte und Studien durchgeführt:
Bereits 2008 haben wir gemeinsam mit der contec GmbH das Konzept Triple-Win Migration® entwickelt, das wichtige Impulse für die erfolgreiche Integration von internationalen Gesundheitsfachkräften liefert. Zudem haben wir auf der Grundlage der Bedarfsfelder des Deutschen Kompetenzzentrums für internationale Gesundheitsfachkräfte (DKF) des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA) ein Integrationskonzept für internationale Fachkräfte im Gesundheitswesen entwickelt. Dabei werden nicht nur hochqualifizierte Fachkräfte gewonnen, sondern auch der gegenseitige Austausch gefördert und das Gesundheitssystem in Deutschland bereichert.
Aktuell begleiten wir gemeinsam mit der contec GmbH eine Ausbildungskooperation, bei der vietnamesische Pflegekräfte für die medi terra Gesellschaft für soziale Einrichtungen mbH ausgebildet und integriert werden.
Sind Sie neugierig, welche Auswirkungen multikulturelle Teams und kultursensible Pflege auf die Patientenversorgung haben? Möchten Sie mehr über konkrete Integrationsmaßnahmen erfahren und wie Sie das Potenzial internationaler Fachkräfte im Gesundheitswesen voll ausschöpfen können? Haben Sie weitere Fragen zum Thema Migration und Vielfalt im Gesundheitswesen? Sprechen Sie uns gerne an!
Den Foliensatz des Vortrags finden Sie hier auf unserer Jubiläumsseite.