Lavendel, Zitrus, Rose – Düfte können auf Menschen verschiedene Wirkungen entfalten. Als angenehm empfundene Gerüche können sowohl anregen und beleben als auch zur Entspannung beitragen und ein Gefühl der Geborgenheit erzeugen. Unangenehme Gerüche dagegen versetzen den Körper in Alarmbereitschaft und können als belastend empfunden werden. Seit langer Zeit ist bekannt, dass vor allem eine Raumbeduftung mit naturreinen ätherischen Ölen auf den Menschen verschiedene positive Wirkungen entfalten kann.
Auch in der Pflege werden die Potenziale von naturreinen ätherischen Ölen eingesetzt. Bei der „Aromatherapie“ werden ätherische Öle gezielt bei der Behandlung von Erkrankungen durch dafür berechtigte Therapeut*innen angewendet. In der „Aromapflege“ werden ätherische Öle von entsprechend geschulten beruflich Pflegenden eingesetzt, um Befindlichkeitsstörungen oder körperliche Beschwerden zu mindern. Konkret werden in der Aromapflege Räume beduftet, Düfte für die Körperpflege genutzt oder temperierte Ölkompressen angewendet. Zahlreiche Studien und Experimente legen die Vermutung nahe, dass Aromapflege positive Wirkungen auf die Pflegebedürftigen und die beruflich Pflegenden haben kann.
IEGUS evaluiert Modellprojekt zur Raumbeduftung in stationären Pflegeeinrichtungen in Sachsen-Anhalt
Vor diesem Hintergrund haben die Krankenkassen AOK und BARMER sowie die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) gemeinsam mit PRIMAVERA und der contec GmbH in Sachsen-Anhalt ein Modellprojekt ins Leben gerufen. Ziel war, dass stationäre Pflegeeinrichtungen in der Region sowie die dort wohnenden und arbeitenden Personen von der Raumbeduftung mit ätherischen Ölen profitieren können. Wir als IEGUS Institut haben das Modellprojekt wissenschaftlich begleitet und die Wirkungen der Raumbeduftung evaluiert.
Sechs Einrichtungen wurden in beduftete und nicht-beduftete Wohnbereiche unterteilt. Konkret wurde tagsüber ein Zitrus-Duft mit belebender Wirkung angewendet. Nachts kam ein Lavendelduft zum Einsatz, der entspannen und beruhigen soll. Um die Wirkungen sowohl neutral als auch aus subjektiver Perspektive beurteilen zu können, haben wir einen breiten Methoden-Mix angewendet. Zur subjektiven Reflexion der Wirkungen der Raumbeduftung haben wir sowohl mit beruflich Pflegenden als auch mit Pflegebedürftigen Interviews geführt. Bei den beruflich Pflegenden kam ergänzend eine niedrigschwellige Poster-Befragung zum Einsatz. Die Einrichtungen haben sich in regelmäßigen Fokusgruppen zu den Wirkungen der Raumbeduftung ausgetauscht. Nicht zuletzt haben wir auch eine Reihe von objektiven Kennzahlen – wie bspw. den Krankenstand und die Fluktuation in den Einrichtungen – erhoben, um auch quantitative Daten auswerten zu können.
Unsere Evaluation zeigt eine Reihe von positiven Wirkungen auf Pflegebedürftige und beruflich Pflegende
Auch wenn die Umsetzung der Raumbeduftung zum Teil mit Herausforderungen wie der korrekten Einstellung der Duftintensität und der Akzeptanz der Raumbeduftung seitens der Mitarbeitenden einherging, machten die teilnehmenden Einrichtungen insgesamt positive Erfahrungen mit der Aromapflege. Dabei wurde jedoch klar: Die Wahrnehmung und Bewertung der Raumbeduftung ist sehr subjektiv. Während die eine den Lavendelduft angenehm findet, empfindet der andere ihn als zu stark oder sogar künstlich. Eine weitere interessante grundlegende Erkenntnis liegt darin, dass die Raumbeduftung allein dadurch für einen Mehrwert sorgt, dass ein angenehmer Duft das Arbeiten und Leben auf den bedufteten Wohnbereichen insgesamt erleichtert. Unsere Evaluation liefert darüber hinaus folgende spannende konkrete Ergebnisse zu den Wirkungen der Raumbeduftung:
Die Poster-Befragung liefert Hinweise auf eine positive Wirkung der Raumbeduftung auf die körperliche und psychische Gesundheit sowie die Schlafqualität der beruflich Pflegenden.
In den Interviews berichten die beruflich Pflegenden von einem reduzierten Stresslevel. Die Ergebnisse der Kennzahlen-Analysen stärken diesen Befund: Auf den bedufteten Wohnbereichen konnten Krankheitstage reduziert werden.
Die Interviews zeigen zudem, dass sich die Grundstimmung am Arbeitsplatz sowie die Resilienz der beruflich Pflegenden bei beruflichen Herausforderungen verbessert hat. Konkret äußert sich dies in einer reduzierten Fluktuation auf den bedufteten Wohnbereichen.
Sowohl die Interviews als auch die Fokusgruppen verdeutlichen: Rastlose Pflegebedürftige sind durch die Raumbeduftung ruhiger geworden. Dies bestätigt auch die Kennzahlen-Analyse durch den Vergleich mit den nicht-bedufteten Wohnbereichen. Umgekehrt gibt es zumindest einige Hinweise darauf, dass die Raumbeduftung auf inaktive Pflegebedürftige eine belebende und aktivierende Wirkung entfaltet hat.
Pflegebedürftige und beruflich Pflegende profitieren von einer Raumbeduftung
Somit können wir auf Basis unserer Evaluation sagen: Von einer Raumbeduftung profitieren sowohl die Pflegebedürftigen als auch die beruflich Pflegenden auf vielfältige Weise. Deshalb laufen zurzeit Überlegungen mit den Projektpartnern, wie in einem Folgeprojekt an die guten Erfahrungen und Evaluationsergebnisse des Modellprojektes angeknüpft werden kann. Ziel dabei ist, dass noch mehr Pflegeeinrichtungen von den positiven Wirkungen einer Raumbeduftung profitieren können.
Haben Sie Fragen oder Anregungen zu unserer Evaluation des Modellprojektes? Oder interessieren Sie sich für die Implementierung einer Raumbeduftung in Ihrer Pflegeeinrichtung?
Am 29.12.2023 hat der MDR in der Sendung MDR Aktuell über eine der Einrichtungen, die am Modellprojekt teilgenommen hat, berichtet. Jonas Seidel, Researcher beim IEGUS, wurde für diesen Beitrag interviewt. Ein Video des Beitrag finden Sie hier in der Mediathek des MDR.
Ihr Ansprechpartner zu diesem Projekt
Bild: AdobeStock/Pormezz