Bei der Arbeitsplatzstudie zur Situation beruflich Pflegender (Los 1: Analyse und Befragungen) haben wir einen vielseitigen Methodenmix zur Erschließung des komplexen Forschungsfeldes entwickelt und umgesetzt. Wir haben unseren Teamleiter Benjamin Herten und unsere Datenexpertin Nora Schulte-Coerne zur Methodik der Studie befragt. Welche Methoden angewandt wurden und warum das Team sich dafür entschieden hat, lesen Sie hier:

Der Methodenmix war hilfreich, um die Arbeitsplatzsituation beruflich Pflegender aus ihrer Perspektive zu analysieren.

Welche Methoden hat IEGUS für die Arbeitsplatz-Studie genutzt?

Nora Schulte-Coerne: Das war eine ganze Palette an Methoden; von der systematischen Literaturrecherche und –synthese, über qualitative Interviews und Gruppendiskussionen bis hin zur standardisierten Onlinebefragung.

Benjamin Herten: Unser Auftrag war, die Arbeitsplatzsituation in der Pflege breit und aus Perspektive der beruflich Pflegenden zu analysieren. Das sind wir mit einem entsprechenden Methodenmix und vor allem verschiedenen Befragungen der beruflich Pflegenden angegangen. Unsere Forschungspartner, das WifOR-Institut-Institut und die Sektion Sozialpolitik und Sozialökonomie der sozialwissenschafltichen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum (RUB), haben unsere Befragungen und Analysen zusätzlich mit eigenen Auswertungen ergänzt. Die Beteiligten von der RUB haben Längsschnittdaten des SOEP (Sozio-Ökonomisches Panel) und des SIAB (Stichprobe der Integrierten Arbeitsmarktbiografien) analysiert, WifOR Bewertungen auf Unternehmensbewertungsportalen.

"Das war eine ganze Palette an Methoden...": Das Bild zeigt die verschiedenen Methoden die zur Datenerhebung und Auswertung für die Arbeitsplatzstudie verwendet wurden. Zunächst wurden durchgeführt: Literaturanalyse, Erste Delphi-Befragung, Expert*inneninterviews mit beruflich Pflegenden, Gruppendiskussionen mit beruflich Pflegenden. Darauf folgte: Synthese, Zweite Delphi-Befragung und schließlich eine umfangreiche standardisierte Befragung von beruflich Pflegenden.

©Eigene Daten, Darstellung in Zusammenarbeit mit dem Pflegenetzwerk Deutschland

Warum habt ihr euch für den Mixed-Methods Ansatz entschieden?

Nora Schulte-Coerne: Wir wollten keine relevanten Aspekte verpassen und tief in die unterschiedlichen Erfahrungen und Perspektiven einsteigen. Das ist die Stärke qualitativer Ansätze. Gleichzeitig sind die Erhebung und Auswertung aber ziemlich aufwändig. Große Stichproben lassen sich damit einfach nicht realisieren. Dazu dann die standardisierte Befragung.

Benjamin Herten:  Die qualitativen Erhebungen haben uns ermöglicht, die Anforderungen der beruflich Pflegenden an ihren Arbeitsplatz in seiner Gänze zu erfassen und zu systematisieren. Daraufhin haben wir einen Fragebogen erstellt, der das Feld umfassend ausleuchtet. Wir haben die Themen aufgegriffen, die den beruflich Pflegenden wichtig sind. Hinzu kamen Erkenntnisinteressen des auftraggebenden Ministeriums. Bei einer rein quantitativen Befragung wären da sonst vielleicht Aspekte hintenübergefallen.

Gruppendiskussionen machen möglich, auch kontroverse Themen herauszuarbeiten.

Welchen Vorteil hatte es, Gruppen- und Expert*inneninterviews durchzuführen?

Benjamin Herten: Die Gespräche mit beruflich Pflegenden und Auszubildenden geben tiefen Einblick in den Alltag ihrer Arbeit und ihre Ansichten und Empfinden darüber. In den Gruppendiskussionen haben wir dann beruflich Pflegende aus verschiedenen Pflegesettings, Pflegende mit und ohne Leitungserfahrung jeweils untereinander aber auch gemischt befragt. So lassen sich geteilte Erfahrungen, aber auch kontroverse Themen gut herausarbeiten. Spannende Fragestellungen sind dann beispielsweise, wie sich die Teilnehmenden ihren Arbeitsplatz wünschen würden bzw. vorstellen und welche Maßnahmen es auf betrieblicher und ggf. politischer Ebene bräuchte, um diese Vorstellungen vom Pflegearbeitsplatz der Zukunft umsetzen zu können.

Wie wurden die qualitativen Interviews ausgewertet und warum habt ihr diese Auswertungsverfahren gewählt?

Benjamin Herten: Das haben wir je nach Interviewsetting unterschiedlich gehandhabt. Die Gruppendiskussionen haben wir inhaltlich, aber auch in Anlehnung an die dokumentarische Methode ausgewertet. Die dokumentarische Methode ist eigentlich der Goldstandard der Durchführung und Auswertung von Gruppendiskussionen. Die Stärke des Verfahrens ist es, das sowohl die eigenen Sichtweisen der Befragten aber auch organisationskulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet werden. Die Methode macht möglich zu rekonstruieren wie Denk-, Verhaltens- und Interaktionsmuster, die der Alltagspraxis der Teilnehmenden zu Grunde liegen, entstehen.

Nora Schulte-Coerne: Bei den Einzelinterviews haben wir in der Auswertung vor allem mit der strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse gearbeitet. Wir haben uns immer auch am Material selbst orientiert, um das Beste aus den Daten herauszuholen. So hatten wir zum Beispiel die Befragten gebeten, ihre Erwerbsbiografie zu erzählen und dazu eine narrationsanalytische Auswertung angedacht. Einige der Befragten haben sich aber dabei sehr kurzgehalten und so hat die Narrationsanalyse dann zu Teilen des Materials einfach nicht so gut gepasst. Um die ausführlichen Erzählungen und die knappen Berichte zusammenzuführen haben wir dann auch hier ähnlich wie bei der strukturierenden Inhaltsanalyse Kategorien gebildet. Die verschiedenen Stationen im Berufsleben und die dahinterstehenden Beweggründe haben wir schließlich in einem Flussdiagramm visualisiert.
Die qualitative Inhaltsanalyse ist oft eine gute Wahl, um größere Mengen an Material auf die wesentlichen Inhalte zu reduzieren; insbesondere, wenn die Befragten die relevanten Punkte explizit benennen können. Für unsere Fragestellungen und unser Material hat das gut gepasst.

Interview "Das war eine ganze Palette an Methoden...": Benjamin Herten und Nora Schulte-Coerne vor dem Eingang der IEGUS Niederlassung in Bochum

Benjamin Herten und Nora Schulte-Coerne vor dem Eingang der IEGUS Niederlassung in Bochum

Zur Validierung der Ergebnisse, waren die Delphi-Befragungen gut geeignet.

Welchen Zweck hatten die Delphi-Befragungen?

Benjamin Herten: Die Delphi-Befragungen waren dazu gedacht, die Ergebnisse der Interviews und Gruppendiskussionen zu validieren. Ursprünglich waren dazu eigentlich Expertenworkshops angedacht, pandemiebedingt konnten wir die aber nicht wie geplant durchführen. Mit den Delphi-Befragungen konnten wir die Expertenmeinungen aber ähnlich gut zusammenbringen und verdichten. Hier ist auch eine erste Version des „IEGUS Rads“ entstanden, das die Maßnahmen für die Gestaltung des Pflegearbeitsplatz der Zukunft zusammenfasst.

Die Ergebnisse der qualitativen Befragungen bilden die Grundlage für den Fragebogen der standardisierten Befragung.

Wie habt ihr den Fragebogen konzipiert und ausgewertet?

Nora Schulte-Coerne: Wir haben auf den Ergebnissen aus den qualitativen Befragungen aufgesetzt, die Auswahlmöglichkeiten komplettiert und auch noch einige zusätzliche Aspekte eingebracht, die dem Auftraggeber wichtig waren. Für die Auswertung des Fragebogens haben wir uns dafür entschieden, hauptsächlich mit deskriptiven Analysen und den dazu passenden Grafiken zu arbeiten. Keine komplexe Statistik also, alles so klar und nachvollziehbar gehalten wie möglich. Hier nochmal Danke an alle Kolleg*innen, die uns mit ihrer Expertise bei der Fragebogenentwicklung unterstützt haben! 😊

Benjamin Herten: Dem Dank schließe ich mich an, auch an den Auftraggeber. Das war ein sehr konstruktiver Austausch. Bei einer Befragung diesen Umfangs sind die Abstimmungen natürlich entsprechend intensiv. Das kennen wir auch aus anderen Forschungsprojekten: wenn Auftraggeber sich engagiert mit ihren Bedarfen und Erkenntnisinteressen einbringen, kann das sehr bereichernd sein.

Vielen Dank für eure Zeit und den Einblick in die Arbeit des Projektteams bei der Erhebung und Auswertung der Daten für die Arbeitsplatz-Studie!

Nora Schulte-Coerne: Gerne!

Benjamin Herten: Gern!


Dank des vielseitigen Mixes aus qualitativen und quantitativen Methoden stand die Sicht der beruflich Pflegenden bei der Arbeitsplatz-Studie klar im Fokus. Das Projektteam hat die Datenerhebung und -auswertung immer mit Blick auf das komplexe Forschungsfeld durchgeführt. Solche Mixed-Method Ansätze machen umfangreiche und aussagekräftige Studien möglich. Das Ergebnis dieser Herangehensweise: eine umfangreiche Zusammenschau praxisnaher Maßnahme-Empfehlungen an Politik und Träger.

Eine Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse finden Sie in unserem letzten Blogartikel. Den Endbericht des Projekts mit detaillierten Informationen zu den genutzten Methoden können Sie auf der Seite des BMG herunterladen.

Bei Fragen zur Methodik, zu dieser Studie im Allgemeinen oder auch zu einer unserer anderen Studien, kontaktieren Sie uns gerne!