IEGUS identifiziert drei Entwicklungsfelder für die Arbeitsplatzqualität in der Pflege (KAP-Studie, Teil 1): Vor einer weißen Mauer sieht man den Kopf einer Frau mit blauer OP-Maske und blauen Einmalhandschuhen. Sie schaut durch ein Herz, dass sie aus ihren Händen formt.

Im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege haben wir im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), gemeinsam mit unseren Partnern, eine umfassende Arbeitsplatzstudie zur Situation beruflich Pflegender durchgeführt. Die Studie sollte geeignete Maßnahmen herausarbeiten, die den Arbeitsplatz Pflege attraktiver machen können. So sollen neue beruflich Pflegende gewonnen, existierende im Beruf gehalten und aus der Pflege ausgeschiedene zurückgewonnen werden. Die Studie zeigt, was sich beruflich Pflegende wünschen und welche Maßnahmen Arbeitgebende und Politik ergreifen können, um dem Fachkräftemangel in der Pflege nachhaltig entgegenzuwirken.

Am 12. Mai 2023 stellten Benjamin Herten und Dr. Sandra Zimmermann vom WifOR-Institut die zentralen Ergebnisse beim Tag der Pflegenden des Pflegenetzwerks Deutschland vor:

Der Pflegearbeitsplatz der Zukunft

Wir von IEGUS haben zwischen März 2020 und Oktober 2022 den inhaltlichen Schwerpunkt „Analyse, Befragungen und Maßnahmenempfehlungen für den Pflegearbeitsplatz der Zukunft“ bearbeitet – gemeinsam mit der WifOR GmbH, der contec – Gesellschaft für Organisationsentwicklung mbH und der Ruhr Universität Bochum. Dabei standen drei Fragen im Mittelpunkt:

  • Welche Faktoren wirken auf die Beschäftigung von beruflich Pflegenden?
  • Welche Maßnahmen wirken auf die Beschäftigung von beruflich Pflegenden?
  • Wie wünschen sich beruflich Pflegende ihren Arbeitsplatz der Zukunft?

Der Methodenmix umfasste eine systematische Literatur- und Sekundärdatenanalyse sowie eine qualitative Befragung. Beruflich Pflegende wurden in 34 Expert*inneninterviews und 5 Gruppendiskussionen interviewt.

Basierend auf den Analyseergebnissen dieser Erhebungen, haben wir einen umfassenden Fragebogen erstellt, mit Hilfe dessen wir die umfangreichste Befragung beruflich Pflegender der letzten 10 Jahre durchgeführt haben. Es nahmen über 5.500 Beschäftigte und Auszubildende in Pflegeberufen teil.

Ergänzt wurden diese Erhebungen um die Analyse von Längsschnittdaten zu Erwerbsbiografien durch die die Ruhr-Universität Bochum und Analysen von Bewertungen auf Unternehmensbewertungsportalen durch das WifOR Institut. Aus der systematischen Auswertung und Zusammenführung aller Daten entstand eine umfangreiche Zusammenschau relevanter Maßnahmen für die Gestaltung des Pflegearbeitsplatzes der Zukunft:

Entwicklungsfelder für die Arbeitsplatzqualität: Illustration eines Rades, das unterschiedliche Handlungsfelder in drei Bereichen darstellt: Öffentliche Wahrnehmung, Arbeitsalltag und Professionalisierung der Pflege.

Pflege soll öffentlich als attraktiver Beruf wahrgenommen werden.

Für die nachhaltige Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Pflege ist es elementar, dass der Pflegeberuf öffentlich als attraktiv und sinnstiftend wahrgenommen wird. Die beruflich Pflegenden wünschen sich dabei, dass der Pflegeberuf in der Öffentlichkeit realistisch gezeigt und als Profession dargestellt wird, für die es fachliche Expertise braucht.

Eine attraktive Vergütung im Vergleich zu anderen Berufen wird für die bereits beruflich Pflegenden als ein Zeichen gesellschaftlicher Wertschätzung gesehen. Betriebe können durch die Vergütung Mehrbelastungen monetär anerkennen und beispielsweise attraktive Zuschläge für die kurzfristige Übernahme von Diensten und erhöhte Nacht-, Wochenend- und Feiertagszuschläge gewähren. Für Quer- und Wiedereinsteiger*innen spielen Verdienst- und Karrieremöglichkeiten eine wichtigere Rolle. Aber auch hier stehen Aspekte wie die Arbeit am Menschen und das Sinnstiftende des Berufs im Vordergrund. 

Hinzu kommt, dass eine bessere öffentliche Wahrnehmung des Pflegeberufs auch für den Berufseinstieg wichtig ist: Viele beruflich Pflegenden finden durch aktive Berührungspunkte mit der Pflege in den Beruf: Sie haben z.B. Freunde, Verwandte oder Bekannte, die in der Pflege tätig sind, machen Praktika oder Berufsorientierungen, leisten ein freiwilliges soziales Jahr ab oder sind persönlich betroffen. Um mehr Menschen für die Pflege zu gewinnen, sollten deshalb vorhandene Berührungspunkte besser genutzt, neue Berührungspunkte ausgebaut und weitere Attraktivitätsfaktoren, wie z.B. Arbeitsplatzsicherheit und gute Verdienstchancen in der öffentlichen Wahrnehmung gestärkt werden.

Die Bedürfnisse der Mitarbeitenden sollen Berücksichtigung im Arbeitsalltag der Pflege finden.

Der Arbeitsalltag beruflich Pflegender sollte auf ihre Bedarfe ausgerichtet werden – sie wünschen sich flexible Arbeitszeitmodelle und Unterstützung für eine bessere Vereinbarkeit mit dem Leben außerhalb des Berufs, aber auch Zeit für hochwertige Pflege. Ein großer Teil der Befragten begrüßt in diesem Zusammenhang auch den Einsatz von Pflegehilfskräften zur Entlastung des Pflegefachpersonals und sieht darin eine weitere Chance die Berufsattraktivität zu steigern. Zusätzlich zu einer verlässlichen Dienstplanung, sollten Arbeitgebende:

  • Wünsche und Möglichkeiten der Mitarbeitenden bei der Arbeitszeitgestaltung berücksichtigen,
  • Ausfallkonzepte vorhalten,
  • bei Personalengpässen Leistungsanpassungen statt Überforderung anstreben und
  • den beruflich Pflegenden Unterstützung bei der Kinderbetreuung bieten.

Wechsel innerhalb des Pflegeberufs stehen beispielsweise oft mit dem Wunsch nach besserer Vereinbarkeit in Zusammenhang. Gute Vereinbarkeit wird damit, neben der Vergütung, zu einem Schlüssel, die Abwanderung von Mitarbeitenden in die Zeitarbeit oder komplett aus dem Pflegeberuf zu verhindern.

Wertschätzende Kommunikation und Unterstützung im Arbeitsalltag durch Vorgesetzte und Kolleg*innen sind für viele beruflich Pflegende ebenfalls wichtig. Sie wünschen partnerschaftliche Führung und größere Handlungsspielräume in der Gestaltung ihres Arbeitsalltags. Und auch Leitungspersonen wünschen sich Unterstützung, diese Rolle einzunehmen.

Die Professionalisierung der Pflege und die Etablierung der Pflege als eigene Profession wird als zentral für die Attraktivität des Berufs angesehen.

Für eine Professionalisierung der Pflege ist es wichtig, Rahmenbedingungen für einen angemessenen Qualifikationsmix zu schaffen. Eine Ausbildung zur Pflegehilfskraft ermöglicht einen niedrigschwelligen Einstieg in die Profession. Akademisch ausgebildete Pflegefachpersonen benötigen darüber hinaus definierte Rollen und Karrieremöglichkeiten, um ihre Kompetenzen in der Praxis effektiv einsetzen zu können. Neben der Akademisierung der Pflege, sind aber auch andere Weiterbildungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen innerhalb der Pflege wichtig für die Attraktivität des Berufs und die Verbesserung der Pflegequalität.

Die Befragten wünschen sich zudem, dass Pflege in allen Bereichen mitredet, in denen über Pflege oder pflegerelevante Belange entschieden wird:

  • auf politischer Ebene,
  • auf Ebene der Selbstverwaltungen,
  • auf Ebene der öffentlichen Verwaltung und
  • auf betrieblicher Ebene.

Darüber, wie die Pflegenden ihre Interessen im Detail vertreten sollten, sind sich die Befragten zwar nicht einig. Gleichwohl gibt es engagierte und organisierte Pflegende, und je mehr Unterstützung diese erhalten, desto schlagkräftiger können sie auftreten.

Digitalisierung bietet Chancen in allen Bereichen der Pflege.

Beruflich Pflegende sehen durch die Digitalisierung Chancen in allen Bereichen der Pflege. Die eingesetzten Systeme sollten jedoch auf die Bedarfe der beruflich Pflegenden abgestimmt sein und die Pflegenden an der Auswahl und Implementierung neuer Systeme beteiligt werden. Im Arbeitsalltag sind Standards im Umgang mit den digitalen Unterstützungen notwendig, die gemeinsam mit den beruflich Pflegenden ausgehandelt werden. Die Pflegenden wünschen sich, sich mit neuen Technologien befassen zu können. Arbeitgebende sollten ihren Beschäftigten daher die Erprobung neuer Technologien ermöglichen und deren aktive Nutzung fördern.

Nicht Alles, was in diesem Bereich von beruflich Pflegenden als sinnvoll betrachtet wird, ist verbreitet. Alles, was verbreitet ist, wird jedoch überwiegend als sinnvoll oder teilweise sinnvoll betrachtet. Viele der beruflich Pflegenden wünschen sich aktuell, dass die infrastrukturellen Voraussetzungen zur Nutzung digitaler Unterstützungsmittel geschaffen werden. Außerdem sollen die elektronische Patientenakte und Systeme zur elektronischen Pflegeplanung und -dokumentation eingeführt werden.

Nach diesem kurzen Überblick über die zentralen Ergebnisse unserer Studie, möchten wir Ihnen in den nächsten Wochen an dieser Stelle interessante Ergebnisse zu weiteren Detailfragen zum Pflegearbeitsplatz der Zukunft vorstellen.

Bis dahin können Sie mehr über den methodischen Aufbau der Studie erfahren oder den Endbericht der Projekts auf der Seite des BMG herunterladen.

Bei Interesse oder Fragen zu dieser oder unseren anderen Studien, kontaktieren Sie uns gern!


Informationen zur Konzertierten Aktion Pflege

Gute Arbeitsbedingungen für beruflich Pflegende sind wichtig, um Pflegearbeitsplätze für Berufs- und Quereinsteigerinnen und –einsteiger, Berufsrückkehrerinnen und –rückkehrer und Pflegepersonal aus dem Ausland attraktiv zu gestalten. Zugleich sind sie erforderlich, um das Stammpersonal in den Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern zu halten, Berufsausstiege zu vermeiden und den Einsatz von Arbeitnehmerüberlassungen auf ein notwendiges Maß zu reduzieren.

Was einen guten Pflegearbeitsplatz ausmacht, können am besten diejenigen beurteilen, die beruflich in der Pflege arbeiten. Daher hat das BMG im Rahmen der KAP im Jahr 2020 eine zweiteilige Studie zur „Arbeitsplatzsituation in der Akut- und Langzeitpflege“ sowie zur „Ermittlung sowie modellhaften Implementierung von Indikatoren für gute Arbeitsbedingungen in der Langzeitpflege“ in Auftrag gegeben, in deren Rahmen die beruflich Pflegenden in der Langzeit- und Krankenhauspflege umfassend selbst beteiligt wurden und differenzierte Einschätzungen zu einem guten Pflegearbeitsplatz abgeben konnten.

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