Scoping Reviews: Komplexe Themenfelder erschließen: Auf hellem Hintergrund sind zwei Hände zu sehen. Die eine hält ein Dokument, in der anderen Hand ist eine Lupe mit der auf dem Dokument gelesen wird.

Scoping Reviews helfen uns komplexe und neue Themenfelder mit breit gefächerter und heterogener Literatur besonders gut zu erschließen. Sie sind eine Variante der systematischen Übersichtsarbeiten. Ziel eines Scoping Reviews ist, die relevanten Konzepte, Theorien, Quellen und Wissenslücken für das jeweilige Forschungsthema zu identifizieren und geordnet darzustellen. Im Gegensatz zum Systematischen Review ist es in der Regel nicht üblich, eine systematische Beurteilung der Qualität der eingeschlossenen Quellen anhand standardisierter Tools vorzunehmen. Die Belastbarkeit der Quellen wird stattdessen in einer dem Forschungsgegenstand angemessenen Form eingeordnet. Die eingeschlossene Literatur bei einem Scoping Review wird zudem meist qualitativ ausgewertet und die Ergebnisse narrativ berichtet. Aber wie genau läuft ein Scoping Review in der Praxis ab?

Wir nehmen Sie in diesem Artikel bei unserem Forschungsprozess mit. Am Beispiel unseres Scoping Reviews über Strategien und Ansätze zur Förderung von Nachhaltigkeit und Verstetigung von Interventionen der Gesundheitsförderung in der Lebenswelt Kommune haben wir für Sie protokollhaft den Ablauf eines Scoping Reviews zusammengefasst.

Woche 1 bis 2: Operationalisierung der Forschungsfragen

Zu sichtende Quellen: 0

Der erste Schritt in der Durchführung eines Scoping Reviews besteht darin, die eigenen Forschungsfragen in ein recherchierbares Format zu überführen. Bei Scoping Reviews hat sich hier für das sog. PCC-Schema etabliert (P: „Population/Patient*innen/Problem“; C „Kontext“; C „Konzept“). Für unser Scoping Review zur Nachhaltigkeit und Verstetigung von Interventionen der Gesundheitsförderung und Prävention bedeutete das:

  • P & C/Kontext: Wir haben uns bei der Aufstellung eines unseren Forschungsfragen entsprechenden Suchstrings auf Bürger*innen der kommunalen Lebenswelten fokussiert.
  • C/Konzept: Als C „Konzept“ haben wir die forschungsgegenständlichen Interventionen der Gesundheitsförderung und Prävention und die zu definierenden Konstrukte „Nachhaltigkeit“ und „Verstetigung“ festgelegt.

Im Anschluss haben wir darauf basierend Ein- und Ausschlusskriterien für die Datenbankrecherche definiert. Ausgeschlossen haben wir bspw. Interventionen, die sich rein auf den betrieblichen Kontext beziehen oder Quellen, die ausschließlich Verhaltenspräventive-Ansätze darstellten. Als Nächstes ist es notwendig, entlang der PCC-Elemente Suchbegriffe inkl. Synonymen festzulegen und mittels sog. Boolescher Operatoren (bspw. „AND“ oder „OR“) zu Suchstrings für die Datenbankrecherche zu verknüpfen. Bevor die Recherche beginnen kann, wird schließlich noch die Recherchestrategie konkretisiert: Das heißt, wir wählen relevante Fachdatenbanken aus, die wir mittels der entwickelten Suchstrings nach den Einschlusskriterien entsprechender Literatur durchsuchen. Die Vorbereitungen der Datenbankrecherche nehmen ca. zwei Wochen in Anspruch.

Woche 3 bis 6: Datenbankrecherche

Zu sichtende Quellen: 1.979

Daraufhin wird in den festgelegten Fachdatenbanken mit den erarbeiteten Suchstrings relevante Literatur recherchiert. In unserem Scoping Review zur Nachhaltigkeit und Verstetigung fiel die Wahl auf die wissenschaftlichen Fachdatenbanken

  • Cochrane Library,
  • LIVIVO,
  • PubMed,
  • PsycInfo und
  • JSTOR.

Zusätzlich haben wir auf den Webseiten von einschlägigen Fachgesellschaften, Verbänden und weiteren Akteur*innen gezielt nach weiteren Veröffentlichungen und grauer Literatur recherchiert (bspw. Kooperationsverbund gesundheitliche Chancengleichheit). In diesem ersten Rechercheschritt wird zunächst die gesamte, den Suchstrings entsprechende Literatur identifiziert. Diese gilt es dann im Anschluss sukzessive auf die zur Beantwortung der Forschungsfragen relevanten Quellen zu reduzieren. Als Erstes sichten wir daher die gefundenen Titel vor dem Hintergrund unserer Ein- und Ausschlusskriterien. Quellen, die auf Basis ihres Titels und des Abstracts schon sicher nicht den Forschungsfragen entsprechen sowie Duplikate werden an dieser Stelle ausgeschlossen. Im Falle unseres Scoping Reviews blieb somit eine Vorauswahl von noch etwa 200 Quellen übrig.

Woche 7 bis 12: Prüfung der Volltexte auf Eignung

Zu sichtende Quellen: 204

Von den vorausgewählten Titeln werden dann die Volltexte gesichtet und mit Blick auf die Ein- und Ausschlusskriterien auf ihre Eignung hin geprüft. In unserem Scoping Review konnten hier weitere 147 Quellen mit entsprechender Begründung ausgeschlossen werden. Ausschlaggebend war bei einem Großteil der identifizierten Quellen, dass der kommunale Bezug fehlte und das Thema Nachhaltigkeit und Verstetigung nicht aufgegriffen wurde.

Woche 13 bis 18: Prüfung der Volltexte auf Eignung

Zu sichtende Quellen: 57

Die eingeschlossenen – und damit zur Beantwortung unserer Forschungsfragen relevanten – Quellen werden dann qualitativ ausgewertet und vor dem Hintergrund der Fachliteratur diskutiert.

Woche 22 bis 26: Darstellung der Ergebnisse

Zu sichtende Quellen: 0

Im letzten Schritt des Scoping Reviews gilt es, die Ergebnisse in einem Bericht zu verschriftlichen. Im Zuge der Ergebnisdarstellung ist bei einem Scoping Review unbedingt notwendig, den gesamten Recherche- und Auswertungsprozess nachvollziehbar für Dritte darzustellen. Als Standard hat sich hier in der Forschungswelt die Darstellung anhand des PRISMA-Statements etabliert. An dieser Vorgehensweise orientieren wir uns auch in unseren Projekten.

Im Beispiel unseres Scoping Reviews konnten wir durch die systematische Recherche und Analyse Definitionen und Operationalisierungen der Begriffe „Nachhaltigkeit“ und „Verstetigung“ in der kommunalen Gesundheitsförderung und Prävention aufstellen, relevante Strategien und Ansätze zur Förderung von Nachhaltigkeit und Verstetigung in diesem Setting zeigen, zukünftigen Forschungsbedarf identifizieren und Handlungsempfehlungen für kommunalpolitische Entscheidungsträger*innen oder Vertreter*innen von Krankenkassen formulieren.


Mehr zu Aufbau und Fragestellungen dieses Scoping Reviews können Sie hier nachlesen. Den Ergebnisbericht unseres Scoping Reviews „Strategien und Ansätze zur Förderung von Nachhaltigkeit und Verstetigung von Interventionen der Gesundheitsförderung und Prävention in der Lebenswelt Kommune“ finden Sie hier

Das um eine aktuelle Literaturrecherche ergänzte Scoping Review wurde im Februar 2024 in der Zeitschrift Prävention und Gesundheitsförderung im Springer Nature Verlag veröffentlicht. Diesen peer-reviewten Artikel finden Sie hier.

Haben Sie Fragen zum Scoping Review oder zu anderen Methoden der systematischen Literaturrecherche? Haben Sie einen Informationsbedarf? Sprechen Sie uns gerne an! Wir finden gemeinsam die richtige Recherchemethode und übernehmen gerne die Recherche für Sie.

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Bild: AdobeStock/sebra