Die Professionalisierung der Pflege ist wichtig für die Berufsattraktivität (KAP-Studie, Teil 5): Das Bild zeigt drei Pflegefachpersonen. Eine männliche Pflegefachperson steht hinter einem Tresen. Vor dem Tresen stehen zwei weibliche Pflegefachpersonen, die jeweils Zettel in der Hand halten. Die drei sind in ein Gespräch vertieft.

Unsere Arbeitsplatz-Studie zeigt: Leitungs- und Nicht-Leitungskräfte finden mehrheitlich, dass die Professionalisierung ein wichtiger Faktor für die Attraktivität des Pflegeberufs ist. Aber was bedeutet eigentlich die Professionalisierung der Pflege und wie kann sie gelingen? Die Ergebnisse unserer Studie vermitteln einen Eindruck davon, was beruflich Pflegende unter professioneller Pflege verstehen und geben erste Hinweise, wie die Etablierung der Pflege als eigene Profession gestaltet werden könnte.

Handlungsfelder für einen attraktiveren Pflegeberuf

In der standardisierten Befragung haben wir die Studienteilnehmer*innen gebeten, Themenfelder auszuwählen und in Bezug auf ihr Potenzial, die Berufsattraktivität zu steigern, zu priorisieren. Mehr als 80 % der Befragten empfinden dabei „Professionalisierung & Berufsverwirklichung“ als wichtiges Themenfeld zur Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs. Das führt uns zu der Frage: Was ist notwendig, damit beruflich Pflegende gemäß ihrem Verständnis gute und professionelle Pflege leisten können?

Gute und professionelle Pflege braucht Zeit

Beruflich Pflegende brauchen mehr Entscheidungsfreiheiten, Kompetenzen und Flexibilität, um ihrem Selbstverständnis von guter Pflege gerecht werden zu können. Dabei fehlt den Befragten in erster Linie eines, um ihren eigenen Ansprüchen zumindest ansatzweise zu genügen: Zeit.

Zeit, um Patient*innen oder Bewohner*innen ganzheitlich und entsprechend ihrer Bedürfnisse pflegen zu können, aber auch Zeit und Refinanzierung für die Kommunikation mit ihnen. Besonders festgelegte Standards und zeitliche Abläufe, auf die Pflegende keinen Einfluss nehmen können, sind belastend. Sie führen aus Sicht der Befragten zu einer erhöhten Fehlerwahrscheinlichkeit, Frust und hoher psychischer Belastung und möglicherweise sogar zum Ausstieg aus dem Pflegeberuf. Für viele Pflegende wiegt die Diskrepanz zwischen den eigenen Ansprüchen an gute Pflege und der tatsächlich umsetzbaren Pflege schwer.

Damit beruflich Pflegenden ihrem Selbstverständnis von guter Pflege gerecht werden können, benötigen sie Freiräume, in denen sie agieren können. Grundlegend dafür ist die Anerkennung ihrer pflegerischen Kompetenzen und der Professionalität der Pflege.

Der Qualifikationsmix stärkt die Professionalisierung der Pflege

Ein angemessener Qualifikationsmix kann die Pflege und ihre Professionalisierung stärken, bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich, die die Praxis bewältigen muss. Die Zusammenarbeit der unterschiedlich qualifizierten beruflich Pflegenden gestaltet sich je nach Setting verschieden. Während beruflich Pflegende z. B. in der akutstationären Pflege die Zusammenarbeit als positiv empfinden und herausstellen, dass sich Hilfs- und Fachkräfte gegenseitig gut ergänzen, nehmen Befragte aus der stationären Langzeitpflege die Aufteilung nach Funktionen bspw. als eher unvorteilhaft und einer ganzheitlichen Pflege entgegenstehend wahr. In der ambulanten Pflege kritisieren die befragten Fachkräfte die „Aufsichtspflicht“ für Pflegehilfskräfte übernehmen zu müssen. Zusätzlich sind Skill-Mix und Fachkraftquoten für die Altenpflege anders zu bewerten als im Krankenhaus – hier steht vor allem die Beziehungspflege im Vordergrund und nicht die Gesundung der Bewohner*innen. Einigkeit zwischen den Befragten besteht jedoch in einer Sache: die Mindestanzahl an in der Pflege tätigen Personen sollte in allen Settings erhöht werden.

Die interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Pflege und Ärzteschaft ist über alle Settings hinweg relevant für die Befragten. Insbesondere heben sie die fehlende Wahrnehmung ihrer Kompetenzen und fehlende Wertschätzung als Belastungen hervor. In der ambulanten Pflege ist zusätzlich die Zusammenarbeit mit dem Medizinischen Dienst ein hoher Belastungsfaktor für beruflich Pflegende. Beruflich Pflegende wünschen sich:

  • die Anerkennung ihrer Kompetenzen und Expertise,
  • die Berücksichtigung von Pflegeabläufen,
  • bessere Kommunikation mit anderen Berufsgruppen.
  • Wertschätzung und
  • Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Eine akademische Ausbildung wird in diesem Zusammenhang als Chance begriffen sich einerseits gegenüber anderen Berufsgruppen (z. B. Ärzt*innen) besser behaupten zu können, andererseits die Wahrnehmung von Pflege als Profession nach außen (Richtung Gesellschaft) zu stärken.

Ausbildung, Akademisierung und Weiterbildungsmöglichkeiten sind wichtig für den Pflegearbeitsplatz der Zukunft

Die Professionalisierung der Pflege braucht demnach gute Rahmenbedingungen für einen angemessenen Qualifikationsmix. Die Ausbildung zur Pflegehilfskraft bietet einen niedrigschwelligen Einstieg in die Profession. Die generalistische Pflegeausbildung gewährt den Pflegefachpersonen von morgen einen umfassenden Einblick in alle Tätigkeitsbereiche professioneller Pflege. Die Etablierung einer akademischen Pflegeausbildung wird teilweise als Möglichkeit der Aufwertung des Pflegeberufs und Stärkung der Profession wahrgenommen.

Die unterschiedlichen Ausbildungswege bringen viele Chancen aber auch Herausforderungen für professionelle Pflege mit sich. Eine Chance der Generalistik liegt z. B. in einer höheren Fachlichkeit in der Altenpflege. Gleichzeitig sind nach der generalistischen Ausbildung jedoch häufig noch Anschlussfortbildungen, praktische Einsätze und Einarbeitungen notwendig, um die Pflegequalität zu erhalten. Ein Problem, dass mit der Akademisierung der Pflegeausbildung einhergeht, ist, dass die Einsatzgebiete für akademisch ausgebildete Pflegefachkräfte noch unklar sind. Aber auch hier schlagen die Teilnehmer*innen unserer Studie eine Lösung vor: Einige könnten sich den Einsatz akademisch gebildeter Pflegekräfte vor allem in der operativen Führungsebene vorstellen. Einerseits um die Pflegequalität sicherzustellen, andererseits zur Weiterentwicklung der Pflegepraxis. Die Rolle akademisch ausgebildeter Pflegefachkräfte sollte geschärft und wissenschaftliche Inhalte mehr in den Pflegealltag integriert werden.

Sprechen wir über den Pflegearbeitsplatz der Zukunft, müssen wir neben Ausbildung und Akademisierung auch über generelle Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb der Pflege sprechen. Derzeit sind Fort- und Weiterbildungen laut den Befragten oft nicht reizvoll: Es fehlt an Unterstützung und Finanzierung durch Arbeitgebende. Zusätzlich erweitern sich Aufgaben- und Verantwortungsbereiche auch nach Weiterbildungen kaum merklich. Karrierechancen gibt es vielfach nur außerhalb der operativen Pflege im Management. Die befragten Pflegenden aus dem Krankenhaussetting wünschen sich verpflichtende Weiterbildungen, in der stationären Langzeitpflege ist das bereits gängige Praxis. Kontinuierliche Weiterbildung und lebenslanges Lernen wird von den Befragten als wichtig erachtet, um den Pflegearbeitsplatz modern und attraktiv zu gestalten.

Es fehlt an einer gemeinsamen Interessensvertretung

Die Befragten erhoffen sich von der Etablierung der Pflege als eigenständige Profession besonders, dass die pflegerischen Interessen besser vertreten werden können. Für die Anerkennung der Pflege als Profession fehlt aktuell auch eine gemeinsame Vertretung der Interessen beruflich Pflegender nach außen. Bisher ist die berufliche Pflege auf relevanten Entscheidungsebenen in Einrichtungen aber auch gesellschaftlich kaum vertreten.

Als zentrales Problem hinsichtlich der Interessenvertretung wird von den Befragten die fehlende Selbsttätigkeit vieler beruflich Pflegender beklagt: „Meckern ja, aber lösen sollen es andere.“ (Arbeitsplatz-Studie, S.363). An dieser Stelle sollen auch Pflegekammern nicht unerwähnt bleiben: Im Kontext der Professionalisierung kommen die von uns befragten beruflich Pflegenden immer wieder auf Pflegekammern zu sprechen – sie sehen den Einsatz einer solchen Berufsvertretung teilweise als zentral für die Weiterentwicklung der Profession Pflege an.

Für die Akademisierung des Pflegeberufs ist die Etablierung universitärer Wege in der Pflegeforschung wichtig. In Deutschland entsteht gerade erst eine anschlussfähige Pflegewissenschaft. Zukünftig braucht es hier laut einigen unserer Befragten bundesweit pflegewissenschaftliche Fakultäten, Promotionsprogramme und eine entsprechende Förderung der Pflegeforschung durch Bund und Länder.

Die Professionalisierung der Pflege betrifft einerseits den pflegerischen Arbeitsalltag, andererseits auch die Wahrnehmung des Pflegeberufs von außen. Für die Etablierung der Pflege als eigene Profession, sollten vor allem die Herausforderungen in Aus- und Weiterbildung angegangen und eine gemeinsame Interessensvertretung beruflich Pflegender etabliert werden.

Den Endbericht des Projekts können Sie auf der Seite des Bundesministeriums für Gesundheit herunterladen.

Bisher auf diesem Blog zur Arbeitsplatz-Studie erschienen:

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